Spurensuche Rhein-Sieg-Kreis (II)
Vom Galgen- und Hühnerwunder in Herchen
bis zum Michaelsberg in Siegburg
Von Eitorf bis nach Lauthausen
Von Bernd Koldewey (Text/Fotos)
Unser zweiter Tag in den Siegauen bei Eitorf beginnt. Das saftige grüne Gras der Wiesenlandschaft leuchtet in den ersten Sonnenstrahlen. Noch ist alles feucht vom morgendlichen Tau, nur langsam löst sich der Dunst auf. Die ersten Fischreiher kreisen über dem Fluss und dem Tal. Wir erleben einen herrlichen Sonnenaufgang an der Sieg.

Sonnenaufgang in der Siegaue bei Eitorf
Rüdiger Schneider ist etwas früher aufgestanden und macht sich mit der Kamera auf, um die grandiosen Vögel aus nächster Nähe zu fotografieren. Wie auf einer Safari schleicht er sich an den Fischreiher (Graureiher) heran. Dieser setzt zur Landung an. Doch als er dem Flugkünstler näher kommt, macht der sich mit ein paar galanten Flügelschlägen auf und davon.
Nach dem morgendlichen Frühsport ging es auch für uns weiter, bestimmt haben wir noch mal Gelegenheit einen Reiher vor die Linse zu bekommen. Das Zelt war bereits verstaut und wir machten uns auf den Weg. Vorsichtig ging es über die L333 ins Gewerbegebiet, schnell noch einen Kaffee, um uns für die bevorstehende Tagesetappe zu stärken.
Wenig später erreichten wir Eitorf, uns fiel sofort eine Turmspitze auf, eine Kirche? Nein, wir standen vor der Villa Gauhe, einem prächtigem Bauwerk aus Fachwerk und Bruchstein. Durch einen Torbogen betraten wir den Innenbereich mit kleinem Teich und Brunnen und die reich mit Holzschnitzereien verzierte Fassade. Diesen Privatbau ließ sich der Textilfabrikant und -färber Julius Gauhe 1878 errichten. Er kam aus dem Bergischen Barmen (Wuppertal) und baute eine weitere Türkischrotfärberei in Eitorf.
Villa Gauhe, Eitorf Pfarrkirche St. Patricius, Eitorf
Im 19. Jahrhundert konnte aus dem natürlichen Stoff Alizarin, der aus den Wurzeln des Krapps (Rubia tinctorum), auch Färberkrapp genannt, einem Farbstoff für die Rotfärbung der Textilien gewonnen werden. Als Wohltäter und Förderer prägte die Familie Gauhe ihre neue Heimatgemeinde Eitorf. Heute befindet sich dort eine Einrichtung zur Pflege behinderter Menschen.
Im Ortskern besuchten wir noch die Katholische Pfarrkirche St. Patricius. Die Gemeinde Eitorf („Villa Eidtorph“) liegt direkt am Fluss, im ausgedehnten Tal der Sieg, sie ist einer der ältesten Orte des Auelgaues. Ein riesiges Gebiet zwischen dem sauerländischen Mittelgebirge im Osten und dem Bergischen Land (Norden) sowie des Westerwaldes (Süden). In der Urgeschichte eine schwer durchdringliche Region mit dichten Wäldern, die sich bis zum Rhein im Westen erstreckte.
Unzählige Wildbäche, die sich aus den Bergen in die Täler stürzten, ließen die Gegend rau und wild erscheinen. In den feuchten Sümpfen war der Anbau von Getreide nur spärlich. Dennoch siedelten sich erste Bewohner und Klöster in den Auen an und machten es urbar. Im Jahre 1144 findet Eitorf erste urkundliche Erwähnung durch Kaiser Konrad II.

Die Sieg bei Eitorf Sieguferweg bei Bourauel
Wir verlassen die Gemeinde Eitorf und wechselten über die Brückenstraße auf die andere Siegseite. Nun befanden wir uns in Hombach, einem kleinen Dorf der Gemeinde Eitorf. Es ging wieder am Siegufer entlang, ein ausgebauter Wanderweg führte uns an einer Gartenanlage vorbei. Wir erreichten die Stelle, an der früher die Hombachmühle stand, die Sieg macht hier einen engen Bogen. Aus den Bergen, in denen schon im Mittelalter und auch noch im 19. Jahrhundert Erze abgebaut wurde, floss der Schmelzbach in die Sieg.
Wir blieben am Siegufer und erreichten Bourauel, das kleine Dörfchen mit bergischen Fachwerkhäusern. Hinter der Ortschaft wandern wir weiter Richtung Lützgenauel, es geht stetig bergauf. An den bewaldeten Hängen entlang, unterhab fließt die Sieg durch die naturbelassene Auenlandschaft. Wir durchquerten Lützgenauel und erreichten nach wenigen Kilometern den Ortseingang von Merten.

Waldreiche Höhenzüge und Täler entlang der Sieg
Auf den bewaldeten Höhen befindet sich das ehemalige Kloster Merten (Schloss Merten). Besonders Sehenswert die Klosterkirche St. Agnes, eine flachgedeckte Pfeilerbasilika im Stil der frühstaufischen Baukunst im Rheinland. Auffällig die ungleichen Doppeltürme der Kirche, die der Heiligen Agnes geweiht ist.
Die Märtyrerin wurde im 3. Jahrhundert in Rom als Tochter reicher Christen geboren. Durch ihre unberührte Schönheit und Reinheit wurde sie von vielen Verehrern umworben, doch sie wies alle ab, mit der Begründung, sie sei schon verlobt. Nun wollte ein besonders eifriger Verehrer wissen, wer war der Konkurrent? Sie antwortete ihnen, Jesus Christus. Das Martyrium nahm seinen Lauf, Agnes wurde in ein Bordell verschleppt, denn der Nebenbuhler, war kein Geringerer als der frühere Stadtpräfekt von Rom. Wieder einmal suchte er sie auf und bedrängte sie, darauf fiel er tot zu Boden. Mit einem Gebet erweckte sie ihn zum Leben und kam dafür auf den Scheiterhaufen. Auch die Flammen des Feuers konnten ihr nichts anhaben, so starb die hl. Agnes durch das Schwert. Sie ist die Schutzpatronin der Jungfrauen, Verlobten und der Keuschheit, ihren Gedenktag feiert die katholische Kirche am 21. Januar.

Eingang zum Kloster (Schloss) Merten Klosterkirche St. Agnes
Im Kloster Merten ließen sich Augustinerinnen nieder, erste urkundliche Erwähnung im Jahre 1217, wahrscheinlich auch früher. Das Kloster ist eine Stiftung der Grafen von Sayn, die auf der anderen Siegseite, hoch über der Sieg, die Burg Blankenberg (1160-1180) als Wohnsitz betrieben. Sehenswert soll auch der Innenbereich der Kirche sein – gerne hätten wir die holzgeschnitzten farbigen Heiligenfiguren gesehen. Ist der hl. Jakobus auch darunter? Wir wissen es nicht, denn die Kirche ist nur an Wochenenden geöffnet. Auch das kleine Café in der sogenannten „Orangerie“, ein Gebäude des neobarocken Schlossbaus, war noch geschlossen (geöffnet: Di-Fr von 15-17 Uhr und Sa, So 11-17 Uhr). Heute befindet sich in der ehemaligen Klosteranlage (Schloss) ein Alten- und Pflegeheim.

Pferdekoppeln des Gestüts Kölner Union Die Eisenbahnbrücke von Merten
Wir verlassen die prächtige Anlage und wandern über den Burgweg, einen Wanderweg, der erst auf den Höhen und später an der Sieg an einigen Pferdekoppeln vorbei führt. Unter der Eisenbahnbrücke geht es bis kurz vor der Siegschleife (Bülgenaueler Flussschleife), dann bergauf am bewalden Hang des Stachel-Bergs, aufwärts Richtung Auel. Unser Ziel ist es, den Wallfahrtsort Bödingen zu besuchen, eine weitere Klosteranlage auf dem Weg nach Siegburg.
Ein abwechslungsreicher Waldpfad führte uns bergauf durch dichten Laubwald. Der Boden war mit Moosen und Farn bedeckt und wir genossen die Waldluft. Hin und wieder lichtete sich der Wald und gab den Blick auf die Sieg frei. Nach 20 Minuten erreichten wir das kleine Örtchen Auel.

Ein naturbelassener Waldweg führt durch den Stachelhardt
Über eine Bahnschranke, die wir über eine im Kasten versteckte Sprechanlage bedienen mussten, erreichten wir das idyllische mit Fachwerkhäusern geschmückte Dorf, es liegt etwas oberhalb der Flussschleife. Wenig später erreichten wir Oberauel und nahmen den historischen Wallfahrtsweg „Alter Weg“ nach Bödingen. Noch einmal ging es bergauf, der ca. 2 km lange Weg führte uns auf einen schmalen Waldpfad, zur Landstraße nach Bödingen.

Landstraße nach Bödingen Bödingen und die Wallfahrtskirche
Vom weitem sahen wir die Wallfahrtskirche „ Zur schmerzhaften Mutter“, nur noch wenige Meter und wir standen vor dem Torbogen. Der Marienwallfahrtsort Bödingen, dessen Ortskern und Kirche unter Denkmalschutz steht, ist über 600 Jahre alt. In einer Legende heißt es: Ein Einsiedler Namens Christian von Lauthausen stellte 1397, an der Stelle, wo sich mittelalterliche Handelsstraßen kreuzen, ein Marienbild auf. Dieses Bildnis lockte immer mehr Pilger an und man sprach von Wundertätigkeit. Daraufhin ließ der Pfarrer Peter Meisenbach von Geistingen (bei Hennef) an der Stelle des Bildstocks eine Wallfahrtskirche (1408) „Mater Dolorosa“ bauen. Der Pilgerstrom nach Bödingen nahm im Laufe der Zeit zu und man gründete 1424 ein Augustiner-Eremiten-Kloster. Im Zuge der Säkularisierung wurde das Kloster 1803 aufgelöst.

Die spätgotische Pfarr- und Wallfahrtskirche von Bödingen beherbergt das Gnadenbild der „Schmerzhaften Gottesmutter“.
Doch heute, 200 Jahre später, nehmen Pilgerschaften und Wallfahrten wieder zu – auch in Bödingen. Wallfahrten werden neu entdeckt und nicht nur nach der Buchveröffentlichung von Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg“. Nein, immer mehr Menschen suchen und finden Kraft in religiösen Werte und suchen Wallfahrtsorte auf, sie suchen Heil und Antworten auf ihre Fragen. Hunderttausende pilgern an Heilige Stätten wie Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela, Lourdes, Kevelaer oder Altötting. Es findet eine neue Orientierung der moralischen Ordnung statt - sich selbst neu finden.

Das Auental der Sieg Sieg bei Lauthausen
Ein Teil dieser Kraft, die vom Gnadenbild der „schmerzhaften Mutter Gottes“ ausgeht, nehmen wir mit. An den Klostermauern vorbei führt uns die Straße „In der Sellbach“ hinunter nach Lauthausen. Wieder am Ufer der Sieg erreichten wir den Campingplatz von Lauthausen und übernachteten dort.
Bücher zum Thema Jakobsweg »»»
Fortsetzung: Spurensuche Rhein-Sieg-Kreis
Von Lauthausen bis nach Siegburg
Herne, 11. September 2009
|